Prokofjew, Sergei (1891–1953)

Ouvertüre über hebräische Themen op. 34 (1919)

für Klarinette, Streichquartett und Klavier

»Im Herbst 1919 kam das jüdische Ensemble ,Zimro‘ nach Amerika. Es bestand aus einem Streichquartett, einem Klarinettisten und einem Pianisten. Alle waren seinerzeit meine Mitschüler am Petersburger Konservatorium. Sie hatten ihre Konzerttournee unternommen, um Geld für die Errichtung eines Konservatoriums in Jerusalem aufzubringen. Gegenwärtig verdienten sie aber kaum genug für ihren Lebensunterhalt. Sie hatten ein Repertoire von recht interessanter jüdischer Musik für verschiedene Instrumentalkombinationen. Sie baten mich, für sie eine Ouvertüre für sechs Instrumente zu schreiben und gaben mir ein Heft, in dem jüdische Melodien aufgezeichnet waren. Ich wollte es zuerst nicht nehmen, weil ich nur eigene Themen zu verwenden pflegte. Ich behielt es aber schließlich, und eines Abends wählte ich daraus ein paar schöne Melodien und begann über sie am Klavier zu improvisieren. Ich bemerkte, daß sich da einige sehr nette Passagen ergaben. Am nächsten Tag arbeitete ich die Themen aus, und am Abend war die Ouvertüre fertig. Es brauchte aber noch zehn Tage, ehe sie ihre endgültige Gestalt hatte. Ich habe dieser Ouvertüre [op. 34] nicht viel Bedeutung beigelegt; sie hatte aber ziemlichen Erfolg.« (Serge [sic!] Prokofjew: Aus meinem Leben. Herausgegeben und aus dem Englischen übersetzt von Willi Reich (1898–1980), Verlag »Die Arche« Zürich 1962. Kapitel IV: In aller Welt, S. 73f.)

 

Das Ensemble Zimro (hebräisch: »Gesang«) formierte sich unter der Leitung der Gesellschaft für jüdische Volksmusik in St. Petersburg (damals noch Petrograd). Vor allem ging es darum, Werke der Neuen Jüdischen Schule verbunden mit ihrer Ästhetik einer größeren Bekanntheit zu verhelfen. Im Programmtext des ersten Konzertes von Zimro vom 21. Januar 1918 ist folgendes zu lesen: »Um das künstlerische Niveau jüdischer Musik zu bewahren, wird das Ensemble ausschließlich Kompositionen aufführen, die von der Gesellschaft für jüdische Musik gebilligt und akzeptiert wurden«. Die Leitung des Ensembles lag in den Händen des Klarinettisten Simeon Bellison (1881–1953), welcher Prokofjew ein Skizzenbuch mit jüdischen Melodien gab. Das im Herbst 1919 während Prokofjews Aufenthalt in den Vereinigten Staaten entstandene Werk gelangte schließlich am 26. Januar 1920 in New York mit großem Erfolg zur Uraufführung. Die Popularität dieses Werkes veranlaßte Prokofjew im April 1934 zu einer weiteren Fassung des Werkes für kleines Orchester.

(2015/2019)