Williams, Ralph Vaughan (1872–1958)

Seven Songs from The Pilgrim’s Progress (1952)

für Singstimme und Klavier

daraus:

1. Watchful’s Song (Nocturne)

5. The Song of Vanity Fair

7. The Bird’s Song

Nach erstem Violin und Orgelunterricht besuchte Ralph Vaughan Williams (1872–1958) ab 1887 das Internat Charterhouse. 1890 begann er sein Studium am Royal College of Music in London. Zwei Jahre später wechselte er nach Cambridge an das Trinity College, wo er den Bachelor of Music (1894) sowie den B. A. in Geschichte (1895) erlangte. Daraufhin war er – ab 1895 – für zwei Jahre an St. Barnabas in South Lambeth (London) als Organist tätig und kehrte danach für etwa ein Jahr an das Royal College of Music nach London zurück, wo er auch den unter dem Namen Gustavus Theodore von Holst geborenen Gustav Holst (1874–1934) kennenlernte. Nach Kompositionsunterricht bei Sir Charles Hubert Hastings Parry (1848–1918), Charles Wood (1866–1926) und Sir Charles Villiers Stanford (1852–1924) studierte er 1897 bei Max Bruch (1838–1920) in Berlin und 1908 in Paris bei Joseph-Maurice Ravel (1875–1937). Bestärkt durch das Studium bei Ravel fand er für sein kompositorisches Schaffen im Folgenden Anregungen in englischem Volksgut und der britischen Renaissancemusik.

Gemeinsam mit dem befreundeten Holst und anderen entstand im Rahmen von Feldforschung vor allem in Norfolk, Essex und Sussex eine Sammlung von über 800 Volksmelodien, welche von ihm in ›bereinigter‹ Form veröffentlicht wurden. Vaughan Williams, seit 1899 Doctor of Music, wirkte auch als Lehrer, Herausgeber und Dirigent. Er war von 1932 bis 1958 Präsident der English Folk Dance and Song Society und eine Zeit lang Präsident der Royal Scottish Academy of Music. Sein umfangreiches Werkschaffen beinhaltet neben Liedern, Vokal- und Chormusik, Bühnenwerken, Instrumental- und Kammermusik auch Solowerke und Musik für Film und Rundfunk. Der als Agnostiker geltende Vaughan Williams schuf dennoch zahlreiche geistliche Werke und gab 1906 das Gesangbuch The English Hymnal gemeinsam mit dem Priester und Liturg Percival »Percy« Dearmer (1867–1936) heraus. Nicht zuletzt durch die Veröffentlichung zahlreicher programmatischer Schriften wie Who Wants the English Composer? (1912), National Music (1934) und Nationalism and Internationalism (erschienen 1953) gilt er als Schlüsselfigur der Wiederbelebung britischer Musik im 20. Jahrhundert. Die Klangsprache seiner Musik ist getragen von einer spätromantisch-tonalen, bisweilen bitonalen Harmonik und der Verwendung modaler Skalen geprägt. Sein mit der Tradition verbundener Stil ist vor allem im englischsprachigen Raum beliebt, weshalb Vaughan Williams nicht zuletzt auch als typisch britischer Komponist gilt.

Februar 1678 erschien in London in einer ersten Ausgabe das allegorische, eine Reise ins Jenseits schildernde christliche Erbauungsbuch mit dem Titel The | Pilgrim’s Progress | from | this world, | to | That which is to come: | Delivered under the Similitude of a | dream | Wherein is Discovered, | The Manner of his setting out, | His dangerous Journey; And safe | Arrival at the Desired Countrey. | I have used Similitudes, Hos. 12. 10. | By John Bunyan. 1684 folgte ein zweiter Teil des Werkes. In The Author’s Apology for His Book schreibt der Baptistenprediger und Schriftsteller John Bunyan (1628–1688), dessen Pilgrim’s Progress sein Hauptwerk werden sollte, in Zeile 24: »I did it mine own self to gratifie.« Bunyans Werk wurde seither in über 200 Sprachen übersetzt. Berta Haferkamp schreibt in ihrer 1963 in Tübingen erschienenen Dissertation Bunyan als Künstler | Stilkritische Studien zu seinem Hauptwerk | ‘The Pilgrim’s Progress’ unter 1. Stellung des Puritaners zur Kunst auf Seite 44: »Über die bühnenfeindliche Haltung der Puritaner besteht kein Zweifel. [ …] Mit Argumenten aus Plato, der Bibel und den Kirchenvätern suchten sie ihren Standpunkt zu begründen, wobei sie die Moral als einziges Kriterium gelten ließen.« Im Abschnitt 4. Grenzen und Möglichkeiten puritanischer Kunst schreibt Haferkamp auf Seite 52: »Bunyans Kunstauffassung stimmte mit der seiner strengsten Glaubensgenossen überein […]. Er wollte nichts wissen vom Zauber des Wortes, nichts von Dramen und schöngeistiger Literatur, die die Welt mit ihren Lockungen und Leiden zum Gegenstand machten, ohne das sündhafte Treiben zu verurteilen. Künstler sein heißt Lehrer sein.«

Vaughan Williams schuf neben neun Sinfonien etliche Opern, unter denen sich, ebenfalls auch sein Hauptwerk, The Pilgrim’s Progress, befindet. Weit über 40 Jahre lang hatte er seit 1906 daran gearbeitet und es schließlich 1949 vollendet. Dafür adaptierte er Bunyans Text – wobei dessen Hauptfigur (des als Graceless geborenen) Christian in der Oper zu Pilgrim wird – unter Verwendung biblischer Texte und Versen der Schriftstellerin und Dichterin Ursula Wood, welche Vaughan Williams am 7. Februar 1953 heiratete und die seine zweite Frau und auch spätere Biographin wurde.

In den Jahren 1951 und 1952 überarbeitete Vaughan Williams The Pilgrim’s Progress. Leider hatte das Werk nicht den erhofften Erfolg, was der Komponist mit den Worten quittierte: »They don’t like it, and perhaps never will like it, but it’s the sort of opera I wanted to write, and there it is.«

Seine zwischen 1921 und 1922 entstandene und 1925 als operatic scena for six soloists, women’s chorus and orchestra erschienene ›Pastoral episode‹ The Shepherds Of The Delectable Mountains arbeitete Vaughan Williams in den 4. Akt als 2. Szene ein. Schließlich wurde The Pilgrim’s Progress: A Morality in a Prologue, Four Acts and an Epilogue Founded on Bunyan’s Allegory of the Same Name am 26. April 1951 im Royal Opera House, Covent Garden unter der Leitung von Leonard Hancock (1921–1999) uraufgeführt. Seine 1938 begonnene und 1943 vollendete Symphony No. 5 in D-Dur – versehen mit der Widmung »Dedicated without permission to Jean Sibelius« – steht mit The Pilgrim’s Progress in bedeutsamer Weise in Verbindung: so verwendete er im 1., 2. und 4. Satz zahlreiche Themen aus der von ihm Morality (Moralstück) genannten oratorischen Oper in 4 Akten, welche mittelalterlichen Mysterienspielen nahesteht. Die 5. Sinfonie wurde am 24. Juni 1943 vom London Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Vaughan Williams uraufgeführt.

The Pilgrim’s Progress von Vaughan Williams gehört mit der dreiaktigen, am 11. September 1951 im Teatro La Fenice uraufgeführten Oper The Rake’s Progress von Igor Fjodorowitsch Strawinski (1882–1971) und der von Francis Jean Marcel Poulenc (1899–1963) komponierten tragischen Oper in drei Akten Dialogues des Carmélites, deren Uraufführung am 26. Januar 1957 in Mailand stattfand, zu den bedeutenden Meisterwerken auf dem Gebiet der Oper in den 1950er Jahren.

1952 erschienen – erst einzeln und erstmalig 1993 in einem Band – bei Oxford University Press die Seven Songs from The Pilgrim’s Progress mit folgender Anmerkung bei jedem einzelnen der Lieder: »Note: This is a concert version of the song, and differs considerably from that given in the Morality ‘The Pilgrim’s Progress’ by the same composer.«

Das erste Lied dieses Zyklus, Watchful’s Song (Nocturne), ist nach Worten des Buches der Psalmen sowie des Buches Jesaja vertont und dem Bariton Bryan Ernest Hare Drake (1925–2001) gewidmet, welcher in der Uraufführung von The Pilgrim’s Progress die Rolle des Watchful, the Porter (Wachsam, der Türhüter) in dem zwischen erstem und zweitem Akt stehenden Nocturne (Intermezzo) sang.

Nach The Song of the Pilgrims, The Pilgrim’s Psalm und dem Duett The Song of the Leaves of Life and the Water of Life folgt nach den Worten der als Joan Ursula Penton geborenen Ursula Wood (1911–2007) The Song of Vanity Fair, welcher mit der Widmung Dedicated to whoever shall first sing it versehen ist. Die 1. Szene des 3. Aktes in der Oper – überschrieben mit Vanity Fair – beginnt begleitet vom Chor mit dem Auftritt des Lord Lechery [Herr Unzucht], welcher in der Erstaufführung vom Tenor Dennis Stephenson gesungen wurde. Heißt es in der Oper im Lied »Come and look on our merchandise, dark girl or fair« und »will you have Hylas«, so lautet es im entsprechenden Song nun »Or would you seek love? here are dark girls or fair« und »would you have Hylas«.

Die letzten beiden Lieder dieser Seven Songs sind The Woodcutter’s Song und abschließend The Bird’s Song, welcher der Sopranistin Adele Leigh (1928–2004) gewidmet ist. Sie war es auch, die in der Uraufführung der Oper als The Voice of a Bird (Die Stimme eines Vogels) in der 2. Szene im 4. Akt auftrat. Textgrundlage dieses Liedes bildet der 23. Psalm, welcher auch als Psalm vom guten Hirten bekannt ist. Vaughan Williams verzichtet in seiner Vertonung allerdings auf den 5. Psalmvers, welcher nach dem Text der King James Bible Thou preparest a table before me in the presence of mine enemies: thou anointest my head with oil; my cup runneth over. und in der Übersetzung nach der Lutherbibel von 1912 lautet: Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.

(2017/2019)