Dohnányi, Ernst von (1877–1960)

Sextett in C-Dur op. 37 (1935)

für Klavier, Violine, Viola, Violoncello, Klarinette und Horn

daraus:

 

1. Satz: Allegro appassionato

Der ungarische Komponist und bedeutende Pianist Ernst von Dohnányi (ungarisch: Dohnányi Ernő; 1877–1960) hat Johannes Brahms (1833–1897) noch persönlich kennengelernt. Dohnányis Kompositionslehrer Hans von Koessler (1853–1926) war mit Brahms befreundet und spielte ihm 1895 in Wien das im selben Jahr entstandene Klavierquintett c-Moll op. 1 seines Schülers vor. Brahms war äußerst angetan von diesem Werk und setzte sich in der Folge für die Werke des jungen Komponisten ein.

Der bedeutende englische Pianist, Komponist und Musikwissenschaftler Donald Francis Tovey (1875–1940) schreibt in seinem Essay über Dohnányis Kammermusik in der erstmals 1929 und 1963 in zweiter Auflage in London bei Oxford University Press erschienenen Cobbett’s Cyclopedic Survey of Chamber Music auf Seite 327 des ersten Bandes über den Einfluß von Brahms auf Dohnányis Kompositionsstil:

»Mastery in the sonata forms and style is nowadays attributed automatically to the influence of Brahms, and Dohnányi unquestionably owes much to his intimate knowledge of Brahm’s works and also to some considerable acquaintance with Brahms himself. Passages in Dohnányi’s ripest works can still be traced to an origin in Brahms. For instance, it is impossible to know the ‘augmented’ return of the theme in the first movement of Brahms’s fourth symphony and fail to recognize it in principle and dramatic effect when we meet the device in Dohnányi’s violin sonata, op. 21. It is the influence of a master on a later master, and such influences operate with complete disregard for common notions as to the nature and obligations of originality.

But the influence of Brahms is neither in form nor in style the dominating feature in Dohnányi’s work.«

 

Diese Aussage läßt sich ohne Weiteres auch auf dessen 1935 in Budapest entstandenes und 1948 in London im Verlag Alfred Lengnick & Co. Ltd. erschienenes Sextett in C-Dur für Pianoforte, Violine, Viola, Violoncello, Klarinette und Horn beziehen. Es ist das letzte von insgesamt neun bedeutenden und mit einer Opuszahl versehenen Kammermusikwerken des Komponisten.

In seinem halbstündigen Sextett entfaltet Dohnányi in vier kontrastreichen Sätzen ein Panorama, welches in seiner Tonsprache von Brahms beeinflußt und bis hin zum Jazz geprägt ist.

Der erste Satz dieses außergewöhnlich besetzten Werkes ist mit Allegro appassionato überschrieben und in Sonatenhauptsatzform komponiert, wobei dessen Themen auch in den folgenden Sätzen Intermezzo, Allegro con sentimento und abschließend im Finale. Allegro vivace giocoso verarbeitet werden.

Dohnányi, einer der wichtigsten Komponisten in der Nachfolge von Franz Liszt (1811–1886) schuf Orchester- und Vokalwerke, Konzerte,  Klaviermusik und etliche Kammermusikwerke.

 

Krzysztof Eugeniusz Penderecki (1933–2020), welcher als Auftragswerk für die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien ebenfalls ein Sextett für Klarinette, Horn, Violine, Viola, Violoncello und Klavier komponierte äußerte sich in einem Interview der Österreichischen Musikzeitschrift im Jahr 2000 anläßlich seiner Komposition: »In der Kammermusik erkennt man die eigentliche Größe eines Komponisten; sie ist wie eine Entblößung: Wenn einer nichts zu sagen hat, hört man es sofort.« Dohnányis Meisterschaft auf diesem Gebiet ist in seinem Sextett op. 37 eindrücklich belegt, nicht zuletzt durch den harmonischen und instrumentatorischen Reichtum seiner Musik.

(2017/2019/2020)