Der argentinische Komponist Astor Pantaleón Piazzolla (1921–1992) verbrachte seine Kindheit von 1924 bis 1937 in New York und begann 1930 das Spiel auf dem Bandoneon zu erlernen. Um Klaviermusik für dieses Instrument arrangieren zu können, bekam er kurz darauf auch Klavierunterricht bei Béla Wilder, einem Schüler von Sergei Rachmaninoff. Nach der Rückkehr der Familie 1937 nach Argentinien wirkte er dort ab 1939 als Musiker und Arrangeur in einem von Aníbal Carmelo Troilo (1914–1975) geleiteten sogenannten Orquesta típica (spanisch für Typisches Orchester) mit. Diese so bezeichneten Tangoorchester begannen sich in den Jahren von 1915 bis 1920 in Uruguay und Argentinien zu entwickeln. Ab 1940 studierte Piazzolla Komposition bei Alberto Evaristo Ginastera (1916–1983) und gründete 1946 ein Orquesta típica, welches etwa drei Jahre Bestand hatte. 1954 führte ihn ein Stipendium nach Paris, wo er ein Jahr lang bei Hermann Carl Julius Scherchen (1891–1966) Dirigierkurse belegte und bei Nadia Juliette Boulanger (1887–1979) Komposition studierte.
Von Boulanger ermutigt, sich seiner Wurzeln zu besinnen – Piazzolla hatte sich von früher entstandenen Tangos distanziert, da er als Komponist ernst genommen werden wollte – wandte er sich nach langer Beschäftigung mit sinfonischer und Kammermusik wieder dem Tango zu. Nach seiner Rückkehr 1955 gründete er das Octeto Buenos Aires und entwickelte den traditionellen Tango unter Hinzunahme unterschiedlichster Einflüsse u. a. aus zeitgenössischer Musik und Jazz weiter zum Tango Nuevo. Dieser so modernisierte und nicht im herkömmlichen Sinne mehr tanzbare Tango war als Konzertmusik angelegt und stieß anfangs vor allem bei orthodoxen Tango-Musikern auf große Kritik. 1960 folgte die Gründung seines berühmten Quinteto Tango nuevo und 1971 die seines Ensembles Conjuncto 9. Die zunehmende Akzeptanz seiner Werke führten zu einer bis heute anhaltenden Popularität seiner Musik. Piazzolla komponierte über 300 Tangos.
Sein Tango seis, welchen er am 9. Juli 1969 vollendete, trägt ebenso seine unverwechselbare Handschrift, wie die Cuatro Estaciones Porteñas (Die vier Jahreszeiten der Bewohner von Buenos Aires). Die vier Teile seiner Jahreszeiten entstanden unabhängig voneinander und wurden von Piazzolla mit seinem Quintett 1970 im Teatro Regina in Buenos Aires in einer Besetzung für Streicher, Klavier, E-Gitarre und Bandoneon als Zyklus uraufgeführt. Primavera Porteña (Frühling der Bewohner von Buenos Aires) komponierte Piazzolla im Jahre 1970. Bereits 1965 entstand als Musik für das Theaterstück Melenita de Oro von Alberto Rodríguez Muñoz (1915–2004) Verano Porteño (Sommer der Bewohner von Buenos Aires).
(2016)